Die Festival-Saison 2022 wurde für mich in Braunschweig eröffnet.
Es sei das größte inklusive Rockfestival Deutschlands stand in der Ankündigung. Da wollte ich natürlich hin. Oh, die Lebenshilfe Braunschweig organisiert das Event. Hmmm, ob es da neben Panflöten und Mundharmonika spielenden Konzertgitarreros auch richtige Musik gibt?
Ihr merkt schon, ich hatte meine Vorurteile und die waren ziemlich groß.
Ein Blick auf das Lineup brachte diese aber schnell ins wanken. Ich las so illustere Namen wie RAGE, BROTHERS OF METAL, BRAINSTORM und GRAILKNIGHTS. Das ja schon mal eine echte Ansage. Damit war es endgültig klar, da möchte ich hin!
Und dann kam die Liebste unerwartet mit Urlaub um die Ecke. Wir sind Radreisende und sie wollte gern an der Ostsee radln. Das war jetzt doof, weil das Festival genau an dem mittleren Wochenende unseres Urlaubes stattfinden sollte.
Aber die Liebste wäre ja nicht die Liebste, wenn sie nicht sofort einen Plan B hätte.
1. Woche Ostsee, dann mit der Bahn nach Braunschweig und
2. Woche zur Elbe und am Fluss wieder zurück nach Hause.
So ist es dann auch gelaufen. Die Geschichte soll aber an einer anderen Stelle erzählt werden.
Zurück zum Festival.
Wir hatten uns in einem Hotel ganz in der Nähe des Festivalgeländes einquartiert und sind dann pünktlich mit den Räder losgefahren. Unterwegs wussten wir sofort, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Lange Haare und schwarze Klamotten – endlich wieder normale Leute! Wie schön sich das anfühlte! Am Gelände angekommen, stellten wir unsere Räder ab und gingen, jahaa ich fahre, zum Eingang. Es gab dabei auch für Rollstuhlfahrende Menschen kein Problem. Das häufig übliche „Wir müssen hier noch kurz die Barriere wegräumen“ gab es nicht. Der Einlass der Vereinzelung war breit genug, um mit einem Rollstuhl durch zufahren. 1:0 für Rautheim. Ich fühlte mich gleich sehr wohl, weil ich hier offensichtlich nichts besonderes bin. Die Bändchenausgabe für mich und meine Frau als „Presse“ ging sehr schnell und reibungslos. Kaum waren wir drin, gab es auch gleich ein großes „Hallo“, weil wir, wie sollte es anders sein, alte Bekannte trafen, die wir schon seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen haben. Das wird toll!
Ich habe dann erst mal das Gelände erkundet. Wie inklusiv ist es denn nun geworden?
Mein Eindruck war, dass das Gelände eine sehr gute Mischung aus Rasenflächen und asphaltieren Bereichen ist. Guten zum Fahren und gut zum Feiern!
Mich hat es echt gefreut eine Infrastruktur vorzufinden mit der ich zurecht komme. Es gab Rollstuhl-Dixies und eine gut von der asphaltierten Fläche erreichbare Rollstuhltribüne. Hier würde ich sagen, war es ein super Anfang, aber da geht noch was. Ich hätte mir gewünscht, sie wäre dichter an der Bühne, etwas höher, niedrigere Geländer und mehr mittig. Also mittendrin, statt nur dabei! Die Versorgung mit Getränken und verschiedenen Essen war eines Festival würdig. Der Bereich war auch top mit Rollstuhl befahrbar. Und nicht zu vergessen, wohin man auch schaute fröhliche nette Menschen! BTW. viele der Menschen hinter den Tresen waren Menschen mit Behinderung!
Für mich als Fotograf im Rollstuhl war die breite Pit vor der Bühne toll. Das ist lange nicht überall der Fall. So kamen wir Fotografen uns trotz meines etwas ausladenden Blech-Hinterns nicht ins Gehege. Ich würde sagen, hier haben Marco Spiller und Jonas Scheiffele, die beiden Organisatoren des Festivals, wie ich finde, tolle Arbeit geleistet. Die Grundvoraussetzungen für ein inklusives Festival waren also gegeben. Ich kann an dieser Stelle schon verraten, dass das Wetter den beiden auch ordentlich in die Karten gespielt hat. An dem Wochenende gab es Sonne satt! Perfekt!
Die Party begann dann am Freitag pünktlich um 17:00 Uhr mit MOTHER BLACK CAT.
Die Band um Voice of Germany Teilnehmerin Anika Loffhagen hat die etwas undankbare Aufgabe den Opener zugeben bravourös gemeistert. Die Alternative Rocker aus Braunschweig haben die Anwesenden mit Leichtigkeit vor die Bühne gelockt. Toller Auftakt! Hört mal in das Album Thousand Faces rein. Einige Songs der Scheibe waren auf der Setliste der Vier zu finden.
In den Umbaupausen las Till Burgwächter aus seinen Büchern, die es im Merch-Bereich auch zu kaufen gab. Vor der kleinen Extra-Bühne versammelt sich rasch eine interessierte Schar und lauschten den launigen Erzählungen über die Zukunft des Metal und die Wahrheit über Wacken. Tolle Idee die Zeit mit tollem Inhalt zufüllen.
Auf der Hauptbühne ging es dann weiter mit VICTORIUS aus Leipzig.
Die diversen bunten Shirts mit dem Schriftzug der Band ließen auf viele Fans der Band schließen.
Furios ging es dann auch los. Es gab gleich zu beginn mit Dinos und Dragons einen Song vom Album Dinosaur Warfare Pt.2 – The Great Ninja War. Das demnächst mit 11 weiteren Songs herauskommt. Beim zweiten Song passierte dann das was jedem Festivalveranstalter den Schweiß auf die Stirn treibt. Stromausfall! Nichts ging mehr! Was nun! Die Band blieb cool! David Bassin, der sehr schnell die neue Situation erfasst hat, kam von der Bühne und trank erstmal mit vielen Fans in den ersten Reihen ein Bier auf das neue Festival! Schnell nutzen auch die ersten Die-Hard Fans die Gelegenheit und ließen sich ihre Kutten signieren und machten Selfies. Noch während einer Versteigerungsaktion, bei der der Sänger Bassin beinahe für 5 Euro wohl auf immer im Keller einer jungen Dame verschwunden wäre, kam der Strom wieder und das Konzert der Power Metal Space Ninjas konnte mit noch mehr Spaß weitergehen. Schwein gehabt David! 😉
Leider konnte VICTORIUS nicht mehr ihr komplettes Set spielen. Mit Super Sonic Samurai ging dann ein sehr launiges Set zu Ende.
Als nächstes versammelte sich wegen der GRAILKNIGHTS ein edler Battlechoir vor der Bühne. Zuerkennen an den bunten Umhängen. Trotz anders lautender Gerüchten, hat Dr.Skull keinen Sieg im Vorfeld der Show davon getragen. Leider hatten unsere Superhelden wegen des Stromausfalls mit ziemlich üblen technischen Problemen zu kämpfen. Für die Insider, die Settings der inzwischen digitalisierten Verstärkern hatten sich in pure Energie verwandelt. Die Fans vor der Bühne haben davon aber nicht viel bemerkt. Unsere Helden haben eine epische Show mit neuen, wie auch bereits langjährig etablierten Songs abgeliefert. Hut ab, das war mal Klasse!
Auf den nächsten Act habe ich mich im Vorfeld besonders gefreut. Ich hatte es bisher leider immer verpasst eine Show von den BROTHERS Of METAL zu besuchen. Der schwedische Freitags Headliner belegt mit 8 Menschen auf der Bühne den Raum optimal. Die als Spaßprojekt gestartete Band hat sich mit ihrem melodiösen Power-Metal, der auch von den drei Gesangsstimmen lebt inzwischen einen sehr guten Namen erspielt. Das die Band auch heute Abend Spaß hat auf der Bühne zu stehen, sieht man den Gesichter an. Mit großer Spielfreude gingen die Musiker aus Falun sowohl auf als auch später vor der Bühne zuwerke. Was für eine Party. Ich freue mich die Band schon bald wieder zusehen.
Da das Festival am nächsten Tag auch erst um 17 Uhr anfangen sollte, haben wir ausgiebig gefrühstück. Zu unser Freude mit vielen der Musikern vom Vortag. Durch Zufall sind wir im „richtigen“ Hotel abgestiegen. So ungeschminkt und in Schlumpiklamotten erkennt man die Krieger vom Vorabend kaum wieder.
Mit dem Rad haben wir dann noch für ein paar Stunden Braunschweig erkundet. Kann man wirklich machen. Auch da haben sich meine Vorurteile in Luft aufgelöst.
Natürlich stand ich wieder pünktlich zum zweiten Tag vor der Bühne. Mit den Worten “Kommt alle her, es geht los“ die durch die PA schallten, starteten wir mit Punk aus Münster in den zweiten Tag. Metzer 58 ist als inklusives Bandprojekt der Lebenshilfe in Münster gestartet und hat inzwischen im gesamten Bundesgebiet viele Fans gewonnen. Sowohl der Sänger Bombe als auch der Keyboarder Ralf sind Menschen mit Behinderung. Das Punk-Kollektiv weiß was es tut und ballerte uns einen Song nach dem anderen um die Ohren. Auch wenn man nicht alle Worten von Bombe verstehen kann, die Message ist klar. Feiert Leute, das Leben ist kurz!
Das lässt sich die Menge nicht zweimal sagen. Nach 11 Songs ist leider viel zu früh Schluss. Klasse Auftakt. Ich hätte der Band einen späteren Slot gewünscht, dann hätten sie sich mit Sicherheit noch mehr Fans erspielt. Leider waren zu dem Zeitpunkt noch nicht alle wieder da.
Dann kamen GODSNAKE aus Hamburg auf die Bühne. Mit ihrem 2020 Album Poison Thorn im Gepäck legten die fünf mit ihrer Interpretation des Metal furios los! Die Schlange hat Lust Beute zumachen. Das gelingt mit Leichtigkeit. Die Spielfreude der Band springt sofort auf das Publikum über. Melodic Thrash Metal kommt an. Wer die Band kennt wird bemerkt haben, dass an der Gitarre ein neues Gesicht zu finden ist. Pepe Pierez der progressive Power Metal Band Ancient Curse hat eigentlich nur vorübergehen die Position des Gitarristen übernommen. Ich hätte es nicht bemerkt, so gut hat er sich eingefügt. Das empfanden die Band und wohl Pepe selbst genauso, ist er doch nun festes Mitglied, wie ich den News der Band entnehmen konnte. Richtig so was passt, das passt!
Auch mit neuem Mann an der Gitarre kam BRANSTORM auf die Bühne. Andreas Armbruster spiete sein zweites Konzert mit seinen neuen Kollegen. Ich würde auch hier sagen, dass es absolut passt. Andreas Bassspiel und seine Bühnenpräsenz ist ein echter Gewinn. BRAINSTORM ist bereits das zweite Mal in Rautheim. Erst Konzert, nun Festival. Die Schwaben haben auch ein neues Album dabei. Einige Songs von Walls Of Skulls finden sich neben diversen aus anderen Alben auf der Setliste wieder.
Vor der Bühne wird vom ersten bis zum letzten Takt gefeiert. Bis jetzt ein sehr gelungenes Open Air.
Ich bin gespannt, ob RAGE das noch toppen kann. Spaß, die Frage stellt sich nicht! Ich bin großer RAGE Fan und habe die Band erst im letzten Jahr mit den beiden Neuen an den Gitarren gesehen (hier mein Bericht). Ich freute mich wie Bolle auf Peavy, Lucky, Jean und Stefan! Eröffnet haben die vier volle Pulle mit Resurrection Day vom gleichnamigen aktuellen Album. Jean stürmte sofort, in seiner unnachahmlichen Art, an den Bühnenrand und ließ seine Haare, die jede Frau vor Neid erblassen lässt, fliegen. RAGE spielen sich quer durch ihr umfangreiches Repertoire. Die Energie von der Bühne springt sofort ins Publikum über. Ja so muss Festival sein! Ich habe dann den Graben kurz für ein paar Fotos aus der Publikumsperspektive verlassen, kehrte aber gleich zurück. Als Rollstuhlfahrer durfte ich zum meinem großen Glück das komplette Set im Graben stehen. Es war großartig und wenn ich genau hin fühle, merke ich meinen Nacken vom ‚bangen‘ immer noch! Mir fehlt die Übung, aber heute war schon mal ne top Trainingseinheit. Mit einer extra long Version von Higher Than The Sky endetet nicht nur ein klasse Set von RAGE, sondern auch das erste ROCK IN RAUTHEIM OPEN AIR FESTIVAL unter dem großen Jubel der über tausend Anwesenden.
Ein kleines aber sehr feines Festival hat seine Feuertaufe überstanden.
Wir haben ein tolles inklusives Fest gefeiert. Die gesamte Mannschaft hat sehr professionelle Arbeit geleistet und auch die Klippe Stromausfall sehr souverän umschifft. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die meisten Vorort ehrenamtlich gearbeitet haben. Großartig!
Ich freue mich schon auf nächstes Jahr. Termin und LineUp stehen auch schon.
Am 05. und 06. Mai 2023 werden an selber Stelle Headshot, Enemy Inside, Iron Savior, Grave Digger, WarWolf, Hellryder, Mystic Prophecy und Orden Ogan wieder ein fettes Fest feiern.
Ich bin auf alle Fälle dabei, soviel ist mal sicher.
Zum Schluß möchte ich mich bei Marco und Jonas von der Lebenshilfe Braunschweig für die Akkreditierung bedanken.
Das war ne geile Party Jungs!